Der Goldkurs hat seit Mitte Februar zugelegt wie selten. Aktuell erhält man fast 70'000 Franken für ein Kilo des Edelmetalls. Erst am Dienstag wurde ein neuer Höchststand erreicht. Grund genug, um meinen Teil des Kuchens einzusacken. Und es soll nicht irgendein Gold sein. Sondern das reinste der Welt. Finden kannst du dieses in der Schweiz.
Denn das Eldorado – im wahrsten Sinn des Wortes – der Schweiz befindet sich im «wilden Westen» des Kantons Luzern. Im Napfgebiet liegt nach Schätzungen noch immer Gold im Wert von mehreren Millionen versteckt. Wobei, ganz so gut versteckt hat es sich dann auch wieder nicht. Es gibt praktisch eine Fund-Garantie. Das Problem ist ein anderes. Doch dazu später.
Wir haben uns mit Gsto verabredet. Der 67-Jährige ist der Goldpionier im Entlebuch. Und nein, Gsto ist kein Deckname, weil der Ur-Romooser durch seine Tätigkeit unverschämt reich wurde. «Es ist ein Lausbuben-Spitznamen», erklärt er mit einem schelmischen Grinsen. Als eines von acht Kindern kam er hier in der Region als Gerold auf die Welt. Irgendwann nannte ihn ein Cousin Gsto (ausgesprochen «Gschto»), das blieb: «Heute nennen mich alle Gsto.»
Einfach waren die Zeiten nicht immer in den wunderbaren Hügeln rund um den Napf. Die Familie führte eine Beiz in Romoos, aber die Kundschaft wurde spärlicher, die Einnahmen gingen zurück. Bei einem Bier diskutierte man, was für andere Geldquellen erschlossen werden können.
Gsto kam auf die Idee, Gold-Erlebnis-Touren anzubieten. Denn hier am Napf liegt das reinste Gold der Welt. 23 Karat erreicht dieses auf der Skala, die bei 24 endet. Ein unvergleichlich hoher Wert. Gsto sagt denn auch: «Napfgold wird zum rund dreifachen Preis des Goldkurses gehandelt.»
Und das Beste: Gsto liefert eine Fund-Garantie. Seit 2000 bietet er Touren an. «Wir fingen ganz klein an, heute werden wir fast überrannt», sagt er in seinem unverfälschten Romooser Dialekt. Mit dem aktuellen Goldpreis habe das wenig zu tun.
Wir schlüpfen in Fischerstiefel und wandern rund 20 Minuten hinunter zur Grossen Fontanne, ausgerüstet mit Schaufeln, Goldwäscher-Pfannen und -Schleusen. Der Fluss habe noch viel Wasser, aber «öpis findet mer immer», sagt Gsto und ergänzt: «Je kleiner, desto reiner.» Die klassischen Gold-Nuggets oder Goldadern, die gibt es im Napfgebiet nicht. Wir suchen nach kleinen Flittern. Ein kleiner Dämpfer für meine Goldhoffnungen.
Aber auch Kleinvieh macht Mist oder besser: Auch einge viele sehr viele sehr, sehr, seeeehr viele Flitter machen reich. Man braucht eigentlich nur Geduld und die richtige «Schüttel- und Wiege-Technik». Möglich macht dies, dass Gold rund 20-mal schwerer als Wasser und circa 8-mal schwerer als Gestein ist. Darum liegt Gold am Ende immer unten. Das gilt auch für das Flussbett. Wir müssen graben. Im Flussbett heben wir darum ein kleines Loch aus und schütten eine Schaufel voll Gestein und Sand in die Goldwäscher-Pfanne.
Jetzt gilt es, die Pfanne zu schütteln und immer wieder die oberste Schicht auszuleeren. Als praktisch nur noch Sand da ist, beginnt die richtige Arbeit. «Wiegele, wiegele und namal wiegele», sagt der Goldgräber und nennt den Vorgang «Finöggeli-Arbet». Weil eines ist klar: «Mit ‹Jufle› kommst du beim Goldwaschen nirgends hin.»
Das «Wiegele» sorgt dafür, dass das Gold von Sand und kleinen Gesteinen getrennt wird. Und tatsächlich: Bald glänzt es zweimal auf dem schwarzen Pfannenboden. Wir haben zwei der typischen Napfgold-Flitter gefunden.
Die Freude ist gross. Wer auf den grossen Reibach hoffte, wird aber auch schnell enttäuscht: «Von diesen Plättchen brauchen wir 2000 bis 3000 für ein Gramm», erklärt Gsto.
In rund fünf Minuten sind fünf solche Mini-Goldstücke gefunden. Ich beginne zu rechnen. In diesem Tempo muss ich 400-mal Goldwaschen, dann hätte ich in 33 Stunden ein Gramm Gold. Für ein Kilo wäre ich 3 Jahre und 10 Monate ohne Unterbruch dran. Meine erste Million hätte ich nach 57 Jahren. Oder wenn ich mir einen 8-Arbeitsstunden-Tag gönne in 171 Jahren. Nein, reich wird man nicht. Oder Gsto? Er lacht: «Steinreich und reich an Erfahrung.»
Aber es geht hier um etwas anderes. «Du sollst hier etwas erleben und am Abend zufrieden ins Bett», muntert mich Gsto auf. Tatsächlich ist die Freude beim Fund von noch so kleinen Goldstücken jedes Mal gross, die Landschaft und die Wanderung entlang der Grossen Fontanne lassen mich von irgendwo in Yukon während der Zeit des Goldrauschs träumen. Ich könnte hier noch ewig bisschen Gestein schaufeln und auf Mini-Goldstücke hoffen. Ich realisiere schnell, wie man dem Goldrausch verfallen kann. Aber leider rennt die Zeit, wir müssen los.
Nachdem wir aus der Schlucht des Flusses gestiegen sind, setzen wir uns an den Strassenrand. Gsto meint: Irgendwie kommt man immer wieder nach Romoos hinauf, auch wenn es hier nicht Verkehr wie in Zürich habe. Bald fährt ein Auto in die falsche Richtung an uns vorbei. Zu spät realisiert er, dass er da nur hätte intensiv winken müssen: «Die hätte schon kurz umgekehrt für uns.» Wir lachen.
Wenig später fährt ein Wagen in die richtige Richtung. Gsto stellt sich so auf die Strasse, dass dieser fast anhalten muss. Natürlich nehmen sie ihn unkompliziert, trotz seiner Fischerstiefel, mit. Zehn Minuten später kommt Gsto mit seinem eigenen Büssli zurück und sammelt auch uns ein. Nein, finanziell wurde ich nicht reich an diesem Tag. Aber so zufrieden ging ich am Abend schon länger nicht mehr ins Bett. Völlig egal, was der Goldkurs in den nächsten Wochen noch macht.